Experience the Kenyan Way

Während sich die meisten OL-LäuferInnen in Spanien, Portugal oder der Türkei auf die kommende Saison vorbereiten, wollte ich im Hinblick auf die Sprint-Saison einen neuen Reiz setzen. Im Februar 2022 verbrachte ich deshalb im run2gether-Camp* in Kenia ein Höhentrainingslager gemeinsam mit 40 kenianischen LäuferInnen.

Das Camp liegt am Rande des kleinen Dorfes Kiambogo auf rund 2’400 m ü.M. Gemeinsam mit Philipp reiste ich Ende Januar nach Nairobi, wo wir von Githuku und dem «Driver» im Jeep abgeholt wurden. Knapp zwei Stunden Fahrzeit später waren wir über die Wahl des Fahrzeugs sehr froh. Die Fahrt über die holprigen, vom Wasser zerfurchten Strassen war abenteuerlich. Bald aber wurden die schaukligen Autofahrten zur Gewohnheit, die wir zurück in der Schweiz vermissen werden. Die erste Woche galt der Akklimatisation an die Höhe. Gemeinsam mit unseren Laufbuddies (jeder Gast wird von einem kenianischen Athleten individuell betreut) erkundeten wir die Umgebung in vielen «bole bole» (langsamen) Dauerläufen. Meistens liefen wir vorbei an den zerstreuten Siedlungen von Kiambogo, zwischen den kleinflächig angebauten Felder der Bauern hindurch bis zu den sanften Hügeln, von welchen aus man einen schönen Blick auf den Lake Naivasha hatte. Mit etwas Glück hätten wir auf diesen Laufrunden auch Zebras und Giraffen antreffen können. Dies blieb uns leider verwehrt, aber wir sahen sie dafür bei unseren Bike-/Lauf- und Jeep-Safaris in den nahen Nationalpärken. Die erste Trainingswoche endete mit dem traditionellen Longrun am Samstag. Der Sonntag ist jeweils Ruhetag. Die LäuferInnen gehen in die Kirche, putzen ihre Schuhe (ja, das machen sie oft!) oder relaxen im Garten. Der Tag dient der Regeneration, denn spätestens wenn der Coach am Sonntagabend den Trainingsplan auf die Tafel schreibt, ist die nächste Trainingswoche nicht mehr weit.

Ab der zweiten Woche passten wir unser Training grösstenteils an ihres an. An den meisten Tagen wird dreimal trainiert. Um 5:45 Uhr beginnt das Leben im Camp. Noch im Dunkeln versammeln sich alle auf dem Vorplatz und beginnen den Tag mit einem gemeinsamen Aufwärmen, eine fünf- bis zehnminütige Laufschuleinheit an Ort ohne Pausen. Da geht der Puls ein erstes Mal hoch. Danach beginnt der Morning Run ganz gemütlich, bevor das Tempo immer wie schneller wird. Dies machen sie bei vielen ihrer Dauerläufe. Nach dem ersten Training an der kühlen, frischen Luft im Sonnenaufgang ist die Vorfreude aufs Frühstück gross. Um halb 9 Uhr gibt es Chai Tee und eine grosse Platte Süsskartoffeln oder Pfeilwurzeln sowie frische Früchte. Ein leicht verdauliches Frühstück, da das zweite Training bereits um 10 Uhr beginnt. Zweimal in der Woche steht Speedwork auf dem Programm. Auf der Camp-eigenen, erdigen Laufbahn auf 2’200 m ü.M. werden in zwei Geschwindigkeits-Gruppen Runden gedreht – eine fordernde und teilweise staubige Angelegenheit. Mit reduzierten Distanzen habe ich mich an die Rücken der Kenianerinnen gehängt und versucht, deren Laufrhythmus zu übernehmen. Das ist eines ihrer Erfolgsrezepte: «Übernehme immer den Rhythmus deiner Vorläuferin». Es schaut nicht nur schön aus, sondern ist anscheinend auch effizient. Nach getaner Arbeit spaziert ein Tatzelwurm von rund 40 AthletInnen die steile Strasse zurück zum Camp. Auslaufen ist am Nachmittag angesagt. Zweimal in der Woche sind wir für einen lockeren Nachmittagslauf in den nahen Wald auf 2’700 m ü.M. gefahren. Wir liefen jeweils kreuz und quer und genossen den «schönen, aufgeräumten» OL-Wald mit seinem weichen Grasboden. Zurück im Camp war «Chai tea time», bevor sich alle beim Abendessen den Bauch vollschlugen. Oft gab es Ugali, ein Getreidebrei aus Maismehl, und Sukuma Wiki, eine Kohlart. Der Trainingstag wurde jeweils mit einem Gebet gemeinsam beendet. Danach spielten wir einige lustige Partien UNO oder plauderten mit den KenianerInnen über das Laufen und das Leben.

Die drei Wochen sind wie im Flug vergangen. Ich habe viele Erfahrungen, rund 275 Laufkilometer und über 5’500 Höhenmeter mit nach Hause genommen. Ein Erlebnis das ich jeder und jedem, die oder der Freude am Laufen hat, empfehlen kann (www.run2gether.ch) und mich hoffentlich auch sportlich weiterbringen wird. Falls ihr noch mehr über unseren Aufenthalt erfahren möchtet, findet ihr unter www.olregioolten.ch ein paar Blogeinträge in loser Folge.

*Der Verein run2gether ist 2007 aus einer Vereinspartnerschaft zwischen einem österreichischen und kenianischen Laufverein entstanden. Kenianische LäuferInnen kamen im Sommer nach Österreich zu Wettkämpfen und österreichische LäuferInnen reisten nach Kenia ins Höhentrainingslager. Man lebte zusammen, lief zusammen und gewann vor allem auch tiefe Einblicke in das alltägliche Leben der jeweils anderen Kultur. Dies ist bis heute das Motto des Vereins, der Laufurlaub in Kenia wie auch in Österreich anbietet.

Text und Bilder: Laura Ramstein

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